Lutz Herrmann ist seit vielen Jahren Trainer von verschiedenen Basketballmannschaften des Wittlicher TV, außerdem ist er als Leiter von Grundschul-AGs des Gladiators Trier e.V. aktiv. Im vergangenen halben Jahr wurde diese Tätigkeit um eine besondere Aufgabe ergänzt. An der Justizvollzugsanstalt Wittlich bot Herrmann einmal wöchentlich ein Basketballtraining für die Häftlinge an. Die Maßnahme war auf ein halbes Jahr ausgelegt und fand ihren krönenden Abschluss mit einem Testspiel gegen eine gemischte Herrenmannschaft des Wittlicher TV. Wir treffen Lutz Herrmann, um mit ihm über seine Eindrücke und Erfahrungen aus diesem Projekt zu sprechen.
Herr Herrmann, wie kamen Sie dazu, eine Mannschaft im Gefängnis zu trainieren?
Ich kenne Jörn Patzak, den Chef der JVA schon etwas länger und bei einem Gladiators-Spiel haben wir uns mal über die Idee unterhalten. Im Gefängnis gibt es zwar Sportangebote, aber eben kein Basketball und da habe ich, ohne groß drüber nachzudenken, zugesagt.
Wie war denn die Resonanz der Justizvolzugsbeamten auf Ihre wöchentlichen Besuche?
Anfangs stand ich natürlich schon etwas unter Beobachtung, was sich aber schnell positiv entwickelte bei den Gesprächen mit den Sportbeamten. Ich habe die Häftlinge genauso respektvoll behandelt, wie jeden Spieler meiner Mannschaften auch. Natürlich wird dann getestet wo meine Grenzen sind und die habe ich den Jungs auch recht schnell aufgezeigt. Danach ist es eigentlich recht entspannt gelaufen und es hat schnell gefunkt. Wir haben uns alle gut verstanden.
Wie ist dann diese Mannschaft entstanden? Ihr wart ja anfangs sicher eine größere Gruppe?
Das Sportangebot im Gefängnis ist nur für die Leute zugänglich mit guter Führung und auch Häftlinge, die schwere Verbrechen begangen haben, sind davon ausgeschlossen. Man muss sich dieses „Privileg“ verdienen. Zum „Projekt Basketball“ kamen dann Insassen aus allerlei Blöcken. Anfangs waren es über 20 Spieler. Wir haben dann nach und nach, nach bestimmten Kriterien aussortiert und sind so auf 14 Spieler gekommen.
Wo und wie oft habt ihr dann trainiert?
Dort gibt es eine gefängniseigene Turnhalle, in der trainiert wurde. Diese stand natürlich stets unter Überwachung von zwei Sportbeamten. In der fand dann auch das große Spiel gegen die Mannschaft aus Wittlich statt. Trainieren konnten wir aufgrund der strikten Abläufe einmal in der Woche für eineinviertel Stunden. Eineinhalb Stunden haben leider nie funktioniert, da die Jungs dann schon wieder andere Verpflichtungen hatten.
Da das ja immer noch ein Gefängnis ist, gab es gewisse Sicherheitsmaßnahmen?
Ohne wohl zu viel zu sagen, sind wie an einem Flughafen Eingangskontrollen. Auch durch die vielen Türen, die direkt hinter einem schließen bevor es weitergeht, sind schon große Sicherungen eingebaut. Bei den ersten Besuchen ist das echt beeindruckend, besonders als ich bei meinem ersten Besuch von einem zwei Meter großen, durchtrainierten Sportbeamten abgeholt wurde. Da schluckt man schon mal kurz und fragt sich, ob man als Sportbeamter hier so krass aussehen muss… Zum Glück war das nicht der Fall!
Hatten Sie denn Angst vor den Insassen?
Erstaunlicherweise hatte ich keine Angst, jedoch auf jeden Fall großen Respekt! Wie schon gesagt waren ja immer zwei Sportbeamte mit dabei. Ich war also nie alleine. Außerdem waren das ja ausgewählte Häftlinge. Ich wurde als Trainer stets akzeptiert und respektiert. Das Projekt war schließlich freiwillig und es wurde niemand gezwungen, da zu sein!
Ist beim Training denn so alles glatt gelaufen oder gab es auch mal Probleme oder Vorfälle?
Bis auf zwei kleine Ausnahmen ist alles glatt gelaufen. Da standen einmal zwei Häftlinge Kopf an Kopf und wollten sich schlagen. Ich bin dann direkt dazwischen gegangen. Im Gefängnis kann man schnell das Gesicht verlieren, wenn man Schwäche zeigt, da habe ich den zwei Jungs die Entscheidung schnell abgenommen und den einen zum Abkühlen vor die Tür geschickt. Danach war die Sache auch erledigt.
So über die sechs Monate verteilt, haben Sie da eine Entwicklung bei den Jungs gemerkt?
Ja klar, anfangs konnten viele von denen auch noch nicht so gut spielen und kannten sich untereinander kaum. Das hat sich dann recht schnell geändert, das Vertrauen untereinander und der Respekt für die Sportart sind schnell gestiegen. Anfangs waren viele etwas verunsichert, da das Zusammenspiel noch nicht direkt von Anfang an gut funktioniert hat. Diese Unsicherheit konnte ich ihnen aber recht schnell nehmen. Ab und an wurden auch Spieler aussortiert, welche die Team- und Spielentwicklung eher gestört haben. Am Ende ist aber ein wirklich solides Team entstanden!
Und gab es zwischen dem Training auch Zeit für private Gespräche mit den Insassen?
Ein wenig, aber da wurden eher wenig private Fragen gestellt. Es ging mehr um Basketball, z.B. wie sie an neue Schuhe kommen. Ansonsten habe ich es eher vermieden, die Insassen nach ihren privaten Leben bzw. die Gründe, warum sie im Gefängnis sind, zu fragen.
Wie kam es dann zu dem Spiel gegen die Mannschaft aus Wittlich?
Das Spiel stand von Anfang an fest, es war also das Ziel für dieses halbe Jahr. Wir wollten natürlich nicht, dass die Insassen komplett überrollt werden, sondern ein faires Spiel für beide Seiten gewährleisten. Alle Spieler waren in einem ähnlichen Alter (18 bis 30) was ebenfalls für Ausgeglichenheit gesorgt hat.
Und wie war dieses Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften letztendlich?
Die Wittlicher waren direkt begeistert, wenn auch etwas unsicher, weil sie nicht so wirklich wussten, was da genau auf sie zukommt. Tatsächlich haben sich die Mannschaften aber direkt von Anfang an gut verstanden und es kam schon beim Aufwärmen zu viel Kontakt und es wurde viel geredet. Was mich persönlich sehr gefreut hat, dass die Jungs da alle ohne große Vorurteile rein sind und man gar keine Feindseligkeit gespürt hat. Stattdessen war der Besuch geprägt von Engagement und Offenheit. Nach dem Hauptspiel haben wir dann auch die Mannschaften gemischt, was mir persönlich sehr am Herzen lag, denn das ist nochmal eine ganz neue Herausforderung. Anschließend hatten alle Spieler nochmal Zeit, sich zu unterhalten und auszutauschen, wo sie teilweise selbst früher gespielt haben. Für die Jungs aus Wittlich war es eine sehr gute „Warnung“, dass Gefängnis keine schöne Sache ist. Im Endeffekt mussten wir alle fast aus der Halle scheuchen, weil sie so viel zu bequatschen hatten.
Jetzt rückblickend, würden Sie es nochmal machen oder gibt es schon neue Projekte?
Es ist tatsächlich schon etwas in der Richtung in Planung, denn alle waren wirklich sehr begeistert von dem Projekt und es kam bei allen Beteiligten gut an.
Haben Sie zum Abschluss noch etwas, das Sie loswerden möchten?
Uns wurde ja auch außerhalb der Halle der Altbau des Gefängnisses gezeigt und ich kann es nur nochmal betonen: Da möchte sicherlich keiner freiwillig rein! Ich für mich hab auch nochmal gelernt, dass es sicher nicht verkehrt ist, sich ein paar Gedanken darüber zu machen, wie schnell man eigentlich im Bau landen kann. Man muss es ja nicht einmal extra machen. Zu sorglos im Straßenverkehr kann dich bspw. auch schon dort hinbringen. Auch deswegen waren die paar Monate und das Spiel am Ende für alle Beteiligtem eine großartige Erfahrung und Bereicherung!
Dann bedanken wir uns ganz herzlich für Ihre ausführlichen Antworten und viel Glück beim nächsten Projekt Herr Herrmann!
Gerne und auch von mir vielen Dank.
Bei dem Foto handelt es sich um eine Symbolbild. Fotos aus dem Gefängnis, insbesondere von den Häftlingen, sind streng verboten.